SPAZIERGANG
ORTE UND WIRKSTÄTTEN IN WIEN
Eine Entdeckungsreise durch Wien zu prägenden Orten und Stationen, an denen Alfred Adler lebt, arbeitet und die Individualpsychologie zu einer bedeutenden tiefenpsychologischen Schule entwickelt.
(1) Frühe Kindheit: 15., Mariahilfer Straße 208
Alfred Adler, geboren 1870, verbringt seine ersten sieben Jahre im Vorort Rudolfsheim – umgeben von Markttrubel und dem Rattern der Pferdetram. Der frühe Tod seines Bruders und eigene Krankheiten wecken schon als Kind den Wunsch, Arzt zu werden. Soziale Umgebung und frühe Erfahrungen sollten später seine Theorien entscheidend prägen.
(2) Hernalser Gymnasium: 17., Geblergasse 56
Ab 1881 besucht Alfred Adler das Hernalser Gymnasium, das damals in der Kalvarienberggasse liegt und eine reine Bubenschule ist. Als durchschnittlicher Schüler legt er 1888 erfolgreich die Matura ab.
(3) 1. Praxis und Wohnung: 2., Czerningasse 7
Nach seinem Medizinstudium heiratet Alfred Adler 1897 Raissa Timofejewna Epstein. 1899 ziehen sie in die Czerningasse in der Leopoldstadt, einem jüdisch geprägten Bezirk, wo Adler seine erste Praxis eröffnet. Er behandelt Menschen aus allen sozialen Schichten, auch vom nahegelegenen Prater.
(4) Adler bei Freud: 9., Berggasse 19
An diesem Ort, wo sich heute das Sigmund Freud Museum befindet, entwickelt Freud die Grundlagen der Psychoanalyse und rief 1902 die Psychologische Mittwoch-Gesellschaft ins Leben, aus der die Wiener Psychoanalytische Vereinigung entsteht. Alfred Adler ist von Anfang an Teil dieses exklusiven Zirkels. 1911 führen unüberwindbare Differenzen zum Bruch: Adler wird ausgeschlossen und gründet seinen eigenen psychoanalytischen Verein.
(5) 2. Praxis und Wohnung: 1., Dominikanerbastei 10
1911 zieht die Familie in die Dominikanerbastei in der Inneren Stadt, wo Alfred Adler auch eine Praxis eröffnet. Noch im selben Jahr gründet er den „Verein für freie psychoanalytische Forschung“, aus dem 1913 der „Verein für Individualpsychologie“ hervorgeht. Die Wohnung wird zum Treffpunkt der Adlerianer*innen. Ab 1927 widmet er sich verstärkt Vorträgen, Publikationen und Reisen.
(6) Café Central: 1., Herrengasse 14
Alfred Adler ist leidenschaftlicher Kaffeehausgänger und verkehrt regelmäßig im Café Central. Der Ort ist ein internationaler Treffpunkt mit über 200 Zeitungen in mehr als 20 Sprachen. Gern wird Schach gespielt, besonders von Herrn Bronstein, alias Leo Trotzki, einem guten Bekannten der Familie Adler.
(7) Café Siller: 1., Schwedenplatz 3
Das Café Siller ist mehr als nur ein Kaffeehaus – es wird zum Wohnzimmer der Wiener Individualpsychologie, betrieben von einem ehemaligen Patienten Adlers. In Zeitungsanzeigen wird eigens darauf hingewiesen, dass es sich um den „Treffpunkt der Individualpsychologen“ handelt.
(8) Volksheim Ottakring: 16., Ludo-Hartmann-Platz 7
Im Volksheim Ottakring wird 1905 die erste Abend-Volkshochschule Europas errichtet – mitten in einem Arbeiter*innenbezirk, mit dem Ziel, Bildung für alle zugänglich zu machen. Nach dem Ersten Weltkrieg hält Alfred Adler hier vielbeachtete Vorträge. Daraus entwickelt sich eine intensive Tätigkeit der individualpsychologischen Erziehungsberatung.
(9) Villa in Salmannsdorf: 19., Dreimarksteingasse 16
Alfred Adlers internationaler Erfolg macht es möglich, 1927 eine Villa mit großem Garten am Stadtrand Wiens zu erwerben. Die Familie verbringt dort ihre Wochenenden und Ferien. In der Freizeit wird viel musiziert, Adler widmet sich leidenschaftlich der Botanik und empfängt regelmäßig Schüler*innen und Gäste.
(10) Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof: 11., Simmeringer Hauptstraße 234
Alfred Adler stirbt 1937 während einer Vortragsreise im schottischen Aberdeen an Herzversagen. Seine Urne gilt lange als verschollen, bis sie 2007 von einer Gruppe Individualpsycholog*innen in Edinburgh ausfindig gemacht wird. Zum 100-jährigen Jubiläum der Individualpsychologie 2011 wird sie nach Wien überführt und am Zentralfriedhof in einem Ehrengrab beigesetzt. Die Urne bewahrt die Erinnerung an Adlers Emigration und ist ein stilles Mahnmal für die Vertreibung jüdischer Intelligenz im faschistischen Österreich.











