INDIVIDUALPSYCHOLOGIE
EINBLICK IN ZENTRALE KONZEPTE
Eine individualpsychologische Behandlung arbeitet mit dem Erkennen von Kompensationsmechanismen und der Förderung von Gemeinschaftsgefühl.
Die individualpsychologische Theorie Adlers basiert auf einem Zusammenspiel vielseitiger, ineinandergreifender Konzepte. Ein zentrales Konzept ist der Minderwertigkeitskomplex, der – je nach Ausprägung – psychische Schwierigkeiten hervorrufen kann.
Das für Menschen prägende Minderwertigkeitsgefühl leitet Adler ursprünglich aus einer biologisch bedingten Schwäche bestimmter Organe ab. Ausgehend von diesem Gedanken zieht er eine Parallele zur kindlichen Konstitution, in der das Gefühl, unterlegen zu sein, eine zentrale Rolle spielt. Laut Adler kann sowohl eine sehr strenge als auch eine „verzärtelnde“ Erziehung dazu führen, dass diese Minderwertigkeitsgefühle zu einem Komplex werden und sich ein neurotisches Weltbild entwickelt – geprägt von Mutlosigkeit, Überempfindlichkeit und Zweifel. Adler beschreibt, dass diesen quälenden Gefühlen von Minderwertigkeit durch Kompensation entgegengewirkt wird, etwa indem sie durch Geltungsstreben bekämpft werden.
Kompensation kann sich zu Überkompensation steigern, die sich auf individueller Ebene als tyrannisches Machtstreben äußert und auf gesellschaftlicher Ebene zu autoritären Systemen führen kann. Für Adler spielt die produktive Umwandlung kompensatorischer Strebungen in eine soziale Einbettung eine entscheidende Rolle. Das Gemeinschaftsgefühl ist ein zentraler Begriff der Individualpsychologie und lässt sich etwa als Fähigkeit zur Kooperation oder als Gefühl von Zugehörigkeit beschreiben. Minderwertigkeitsgefühle können durch das Aufgehobensein in der Gemeinschaft sowie das Empfinden, die eigenen Fähigkeiten in sozialen Zusammenhängen zu entfalten und einzusetzen, positiv transformiert werden.
Für Adler ist die Psyche ein zielgerichtetes System (Finalität): Im Unbewussten werden fiktive Ziele erschaffen, die es zu erreichen gilt, um das Selbstwertgefühl zu sichern. Menschen entwickeln individuelle Lebensstile, die sich mit ganz persönlichen „Melodien“ vergleichen lassen. Damit ist die Art und Weise gemeint, wie jemand spricht, handelt, denkt und interagiert – kurzum: Unsere fiktiven Ziele spiegeln sich in all unseren Lebensbewegungen wider. Es ist erstrebenswert, dieser Melodie zu lauschen, sie zu erkennen und zu verstehen.

